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Wendepunkt im Umweltrecht?

Neues Umweltrecht der EU stellt Natur­zerstörung mit Kriegs­verbrechen gleich

Im Vordergrund steht ein Schild mit der Aufschrift "Landschutzgebiet". Im Hintergrund sieht man ein Kraftwerk, welches Rauch ausstößt.

Umweltverbrechen sind für die Verursachenden ein lohnendes Geschäft. Während die Täter und Täterinnen mit ihnen pro Jahr Umsätze in Höhe von 200 Milliarden Euro erzeugen, hinterlassen sie verheerende Folgen für die menschliche Gesundheit und die Natur. Sollte eines der Vergehen aufgedeckt werden, drohen meist nur so geringe Straf­zahlungen, dass sie in der Bilanz häufig als Geschäfts­aufwand verbucht werden. Bewusst einkalkuliert, als zu vernachlässigende Kosten. Am 26. März 2024 verabschiedete die EU ein neues Gesetz, das diesem Verhalten einen Riegel vorschieben soll. Vielleicht erweist sich das endlich als Wende­punkt im europäischen Umwelt­recht.

In der neuen Richtlinie steht, dass Natur­zerstörung „vergleichbar mit Ökozid“ sei und so als besonders schweres Verbrechen anerkannt wird. Steht Natur­zerstörung damit künftig auf einer Stufe mit beispielsweise Völker­mord oder Kriegs­verbrechen? So sieht es der Begriff vor und entsprechend harte Strafen sind vorgesehen. Konsequenterweise müsste das deutschen Umwelt­strafrecht entsprechend deutlich nachlegen. Aber ausgerechnet Deutschland enthielt sich als einziges (!) Land bei der Abstimmung für das neue Gesetz. Im Kontext der jüngsten Blockaden wie beim Liefer­kettengesetz oder dem Verbot von Verbrennungs­motoren hinterlässt das einen faden Beigeschmack. Frederik Hafen vom European Environmental Bureau (EEB) sprach im Rahmen einer Online-Veranstaltung sogar von einem Vertrauens­bruch auf internationaler Ebene.1

Klarere Regeln, härtere Strafen

Faktisch geht die neuen EU-Richtlinie wesentliche Probleme des bestehenden Gesetzes aus dem Jahr 2008 an. So wurden klarere Regelungen zum Umwelt­schutz aufgestellt, die vor allem auf eine administrative Verbesserung abzielen. In Zukunft soll es leichter sein, eine Umwelt­straftat als solche zu erkennen. Auch wenn im neuen Gesetz eine klare Definition für den Begriff „Umweltstraftat“ fehlt, wurde eine erweiterte Liste gebilligt, die viele Straftat­bestände umfasst.

Auch die Strafverfolgung soll deutlich verbessert werden. Hierfür sieht die EU Spezialisierungs­maßnahmen vor, um die komplexe Durchsetzung des Umwelt­rechts weiter zu fördern. Außerdem sollen die Strafen verschärft werden: Bußgelder und Schadensersatz­zahlungen können künftig deutlich höher ausfallen. Zudem drohen Freiheits­strafen von bis zu 10 Jahren. Entscheidungs­träger*innen und Verantwortliche sollen leichter identifiziert und belangt werden. Verschleierungs­taktiken, die bisher die Aufklärung erschwert und die Gerichts­verfahren behindert haben, der Vergangenheit angehören.

Zwei Rohre pumpen dreckiges Wasser in einen Fluss.

EU-Vorgaben und nationale Umsetzung

Für die EU-Staaten – auch Deutschland – bedeutet dies zunächst, dass sie zwei Jahre Zeit haben, das neue Gesetz in ihr nationales Recht zu überführen. Alle Staaten sind dann verpflichtet, eine Strategie zur Bekämpfung von Umwelt­kriminalität vorzulegen. Konkret bedeutet dies, dass Rollen und Zuständigkeiten verteilt werden müssen. Dazu müssen die Staaten sicherstellen, dass sie ausreichend qualifiziertes Personal sowie genügend finanzielle, technische und technologische Ressourcen zur Verfügung haben. Das bleibt abzuwarten.

Die zugrundeliegende Strategie muss alle fünf Jahre überprüft und aktualisiert werden. Um die Umsetzung der Strategien und den Stand der Bekämpfung der Umwelt­kriminalität bewerten zu können, soll ein System zur Daten­erhebung eingeführt werden, welches die erfassten Daten über Straftaten auch anonymisiert bereit­stellt. Diese Daten sollen dann alle drei Jahre veröffentlicht und an die Europäische Kommission übermittelt werden.

Es bleiben offene Fragen

Auch wenn das neue Gesetz inhaltlich ein großer Erfolg ist: Erst die konkrete nationale Umsetzung macht daraus ein wirksames Instrument. Bisher blieben dazu eine Reihe von Fragen ungeklärt. So ist beispiels­weise offen, ob zukünftig auch Politiker*innen als Entscheidungs­träger*innen angeklagt werden können. Fraglich ist auch, ob nur einzelne Handlungen strafbar sein werden oder auch kumulative Vorgänge – also verknüpfte Prozesse, die nicht aus nur einem konkreten Verstoß bestehen, sondern in ihrer Summe zur Umwelt­schädigung beitragen – angeklagt werden können.
Ein Mensch in einem Schutzanzug steht hinter einem verseuchten Pfütze.

Sollten zudem neue Delikte als strafbar eingestuft werden, müsste das Gesetzgebungs­verfahren auf EU-Ebene voraussichtlich neu aufgerollt werden. In erster Linie bleibt daher abzuwarten, wie die Mitglieds­staaten das Gesetz umsetzen. Eine besondere Heraus­forderung für Deutschland besteht darin, dass die Straf­verfolgung Länder­sache ist. Der Bund kann nur koordinierend tätig werden.

Hoffnung auf nachhaltige Veränderungen

Aufgrund der fortschreitenden Zerstörung der Natur, dem damit einhergehenden Arten­schwund und der sich verschärfenden Klima­krise ist die juristische Stärkung des Umwelt­schutzes längst überfällig. Wenngleich hinter einigen rechtlichen Aspekten noch Frage­zeichen stehen, ist das politische Potenzial immens. Durch härtere Strafen und eine theoretisch schnellere Ermittlung der Verantwortlichen können sich Täter und Täterinnen nicht mehr so leicht aus der Affäre ziehen. Dies kann eine präventive und abschreckende Wirkung haben und Umwelt­zerstörungen verhindern, bevor sie entstehen. Außerdem bietet das Weltrechts­prinzip einen Hebel, um auch Staaten zur Verantwortung zu ziehen, die nicht dem Rom-Statut unterliegen. Dazu gehören z.B. die USA, Russland, Indien oder China. Daran zeigt sich, dass die Bedeutung von Umwelt- und Naturschutz auf EU-Ebene zunehmend ernst genommen wird. Und jetzt ist die Regierung gefragt. Es bleibt zu hoffen, dass diese die Chance ergreift, um politische und wirtschaftliche Interessen global in eine nachhaltige Richtung zu lenken.
Zwei Menschen in Schutzanzügen reinigen einen Strand.

Die Reinigung verschmutzter Landstriche ist ein schwieriges Unterfangen.

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