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Gegen die Untätigkeit

Klimaschutz erklagen

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Passt dazu:

Von 10.000 befragten Personen in der EU sind derzeit zwei Drittel der Meinung , dass weder politische Institutionen, noch Behörden oder Wirtschaftsakteur*innen bei der Energiewende einen guten Job machen.

Sorgenvoll wird auf vielen Ebenen diskutiert, ob die Menschheit so das Klimaziel des Pariser Abkommens überhaupt noch erreichen kann. Im Dezember 2015 einigten sich darauf eigentlich 197 Staaten. 180 Staaten – darunter auch Deutschland – haben es bis heute ratifiziert, also als rechtsverbindlich anerkannt. Das Abkommen trat am 4. November 2016 in Kraft und verfolgt drei Ziele:

  • Die Staaten setzen sich das globale Ziel, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf „deutlich unter“ 2 Grad Celsius zu begrenzen, mit Anstrengungen für eine Beschränkung auf 1,5 Grad Celsius.
  • Die Fähigkeit zur Anpassung an den Klimawandel soll gestärkt werden und wird neben der Minderung der Treibhausgasemissionen als gleichberechtigtes Ziel etabliert.
  • Zudem sollen die Finanzmittelflüsse mit den Klimazielen in Einklang gebracht werden.

Die Einigkeit endet aber bei der Frage, ob einzelne Regierungen genug tun, um das Ziel auch faktisch erreichbar zu halten. Ein Weg dahin ist in Deutschland das Klimaschutzgesetz (KSG). Nichtregierungsorganisationen (NRO) wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) oder Fridays for Future üben daran scharfe Kritik: „Politik und Wirtschaft in Deutschland tun viel zu wenig, um die Klimakatastrophe zu verhindern.“

Klimaprotest auf der Straße

Beispiel Klimaschutzgesetz

Mit einer 2021 erfolgreichen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht konnte dann eine Nachbesserung erstritten werden, da das Gericht das bestehende Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärte. Die Richterinnen und Richter bestätigten, dass Maßnahmen und Ziele der Bundesregierung für den Klimaschutz nicht ausreichen. Die Regierung müsse das Klimaschutzgesetz schnellstens bis 2022 überarbeiten und viel energischere Schritte vor allem in den Jahren bis 2030 unternehmen. Was genau angepasst werden muss, ist dann wieder als Aufgabe an die Politik zurückgegangen. Den neuen Entwurf kommentierte Fridays for Future so: „Durch die Änderungen am KSG wird das Erreichen der jährlichen Klimaziele bis 2030 praktisch unmöglich werden – und das, obwohl diese ohnehin schon zu schwach sind, um kompatibel mit dem 1,5-Grad-Ziel zu sein.“  So erzielte auch die DUH jüngst neue Erfolge: „Auf unsere Klage hin verurteilte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Bundesregierung faktisch zu zusätzlichen, konkreten Klimaschutzmaßnahmen in Höhe von über 200 Millionen Tonnen CO2 sowie unsere weitere Klage zur Landnutzung, Wäldern und Mooren, die sich auf weitere 42 Millionen Tonnen CO2 auswirkt. Und zwar in einer Weise, dass der Ampel-Regierung die zeitgleich eingeleitete Entkernung des Klimaschutzgesetzes nichts nützt,“ erklärt der Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch in einem Schreiben.

Sind Gerichte somit der beste Ort, um gegen die Untätigkeit der Politik beim Klimawandel vorzugehen?

Dagegen spricht, dass Gerichtsverfahren langsam sind und teuer. Es dauert Jahre, bis sie abgeschlossen werden, aber die Klimakrise erfordert dringende Maßnahmen sowohl auf lokaler als auch auf internationaler Ebene.

Dafür spricht, dass juristische Verfahren ein Mittel zur demokratischen Teilhabe an zukunftsweisenden Entscheidungen sind. Als unterstützende zusätzliche Säule bewirken Klagen gegen Regierungen oder auch Unternehmen vielleicht keine kurzfristigen Veränderungen. Sie ersetzen auch keine Demonstranten auf der Straße, aber sie erhöhen den Veränderungsdruck: gemeinsam mit kontinuierlicher Arbeit der Nichtregierungsorganisationen, medienwirksamem Protestaktionen und wissenschaftlich fundierter Aufklärung.Das belegen auch die wachsenden Zahlen der Klimaklagen, die sich allein von 2017 bis 2022 mehr als verdoppelt haben. Laut eines Berichts des Sabine Center for Climate Change Law wurden dabei die meisten Prozesse (ca. 1.500) in den USA geführt.

Überwiegend gelten dabei Unternehmen als klima- und umweltschädlich aktiv. Sie emittieren Treibhausgase und erwirtschaften dabei Gewinne. Verursachte Schäden werden aber nicht kompensiert, sondern an die Gesellschaft als politisches Problem ausgelagert. Hier können Rechtswege Gerechtigkeit schaffen.

Gletscherschmelze in den Anden

Gletscherschmelze in den Anden

Peruanischer Bergführer weist den Weg

Vor fast zehn Jahren lernte Saúl Luciano Lliuya über seinen Vater eine Gruppe von Klimaaktivist*innen der Umweltschutzorganisation Germanwatch kennen. Saúl Luciano Lliuya ist nicht nur Landwirt, sondern arbeitet in den Anden auch als Bergführer und führt Jahr für Jahr Touristen auf die eisigen Gipfel. Er ist jetzt Anfang 40 und wuchs in einer Zeit heran, in der sich die Umwelt in seinem Heimatland in einem noch nie dagewesenen Ausmaß veränderte. Lawinen und Gletscherfluten treten immer häufiger auf. Hochwassermodellstudien zeigen, dass sein Haus in der akuten Gefahrenzone liegt, wenn eine weitere große Lawine in den Palcacocha-See stürzen und dessen Ufer zum Überlaufen bringen würde. Zusammen mit Germanwatch entstand die Idee, einen der größten Treibhausgasemittenten der Welt, den deutschen Energieriesen RWE, aufzufordern, auch für diese Klimaveränderung eine Entschädigung zu zahlen.

Wenn die Klage Erfolg hat, könnte sie einen globalen Präzedenzfall schaffen, um große Verschmutzer*innen für die Auswirkungen des Klimawandels verantwortlich zu machen, selbst am anderen Ende der Welt. Der Fall hat bereits jetzt enorme Wirkung gezeigt. Nachdem deutsche Richter*innen den Fall im November 2017 für zulässig erklärt hatten, brach zu dem Zeitpunkt der Aktienwert von RWE ein. Dabei ist die geforderte Summe von 20.000 US-Dollar nur ein symbolischer Betrag – allein die Prozesskosten von RWE dürften weit höher liegen. Doch als die Richter*innen bei einer Anhörung im Jahr 2017 eine außergerichtliche Einigung vorschlugen, lehnte der Anwalt des Unternehmens dies mit der Begründung ab: „Das ist ein Präzedenzfall.“ Darin spiegelt sich ein Trend wider: Internationale Unternehmen und ihre Anleger*innen werden sich der finanziellen Risiken bewusst, die mit Klimastreitigkeiten verbunden sind. Die geschätzten Kosten für künftige klimabezogene Klagen gehen in die Milliarden.

Bilder:

leonardo.ai
freepik

Quellen:

DUH

Green Legal Impact Germany

theconversation.com 

 

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