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Erschreckender Zustand

Sea Shepherds Kampf gegen die Geisternetze

Personen ziehen Geisternetz aus dem Meer
Seit April 2025 touren Crew­mitglieder von Sea Shepherd Deutschland mit ihrer neuen Dokumentation „Geister­netze – Kampf um die Ost­see“ durch ausgewählte Städte, um auf den erschreckenden Zustand der Ost­see aufmerksam zu machen. Am 23.05.2025 findet am GEOMAR in Kiel die vorerst letzte Vorführung statt. Aufgrund der durch­weg positiven Resonanz bemüht sich Sea Shepherd jedoch bereits um weitere Termine. Bei den Events werden sie von wechselnden Gästen unterstützt, darunter Captain Peter Hammar­stedt, eines der Gesichter von Sea Shepherd Global, das Film­team vom Black Forest Collective und Mitglieder von Bracenet, einem Unternehmen, welches in Kooperation mit Sea Shepherd aus alten Fischer­netzen per Upcycling Schmuck, Arm­bänder oder andere Gebrauchs­gegenstände anfertigt. In einer anschließenden offenen Frage­runde haben die Gäste die Gelegenheit, weitere spannende Einblicke in die Entstehung der Dokumentation und die Kampagnen­arbeit von Sea Shepherd zu gewinnen. Wir waren am 12. Mai 2025 bei der Vorstellung in Hamburg vor Ort und möchten unsere Eindrücke schildern.

Geister­netze – stille Killer

Haupt­augenmerk der begleiteten Kampagne war die Bergung von Geister­netzen. Dabei handelt es sich um industrielle Fischerei­netze, die beispielsweise an Wracks hängen bleiben und dann von den Trawlern zurückgelassen werden. Dort können die Netze jahrelang verharren und entwickeln sich zu Todes­fallen für allerlei Meeres­tiere. Fische verheddern sich in den Netzen und locken so größere Tiere wie Robben oder Schweins­wale an, die sich wiederum verfangen und verenden. Im Q&A wies der Kampagnen­leiter Florian Stadler darauf hin, dass es keine Selten­heit sei, mehr als 1.000 tote Tiere in den geborgenen Netzen zu finden. Auch wenn für viele der Tiere jede Hilfe zu spät kam, konnten die Crew­mitglieder immer wieder einzelne Meeresbewohner retten. Erfolgs­erlebnisse, die für die Moral bei dieser Mammut­aufgabe unverzichtbar waren. Die Sicherung von Geister­netzen stellt einen schwierigen und nicht ungefährlichen Prozess dar. Es braucht ein gut ausgebildetes Taucher­team, welches in Tiefen von 30 Metern oder mehr über einen längeren Zeitraum hinweg mit schwerem Werkzeug, wie beispiels­weise Bolzen­schneidern, arbeitet. Mithilfe von auf­blasbaren Luft­polstern werden die los­geschnittenen Netze an die Wasser­oberfläche katapultiert. Dabei müssen die Taucher darauf achten, dass sie sich nicht im hoch­schießenden Netz verheddern und mit nach oben gezogen werden. Erschwert werden die Tauch­gänge zudem durch schlechte Sicht­verhältnisse und Wetter­einflüsse. Trotz dieser Heraus­forderungen waren die letzten beiden Kampagnen volle Erfolge. Während bei der Kampagne von 2023, die im Film begleitet wurde, 10 Tonnen Geister­netze gesichert werden konnten, liegt die aktuelle Kampagne bei knapp 25 Tonnen.

Die Ostsee – ein Öko­system am Rande des Kollapses

Über­fischung gefährdet ganze Fisch­bestände. Geister­netze sind aber leider nicht das einzige Problem, welches die Ostsee massiv belastet. Bildlich gesprochen ähnelt die Ostsee einem Krankenhaus­patienten auf der Intensiv­station mit multiplen Organ­versagen. Unzählige Probleme sorgen dafür, dass die maritime Flora und Fauna unter Druck stehen.
Taucher befreit Fisch aus Geisternetz
Arten wie Dorsch und Hering sind so stark bedroht, dass die Kippp­unkte der Populationen bereits überschritten sind.1 Eine Erholung der Bestände ist ohne sofortige und strenge Regulierung der Fischerei so gut wie ausgeschlossen. Hinzu kommt die Verschmutzung und Eutrophierung (Nährstoff­übersättigung) durch Anrainer­staaten, wodurch sogenannte Todes­zonen entstehen. Dabei handelt es sich um Unterwasser­zonen, in denen der Sauerstoff­gehalt so niedrig ist, dass dort weder Fische noch andere Meeres­tiere überleben können. In den vergangenen Jahr­zehnten hat sich diese Fläche fast verzehnfacht und umfasst mittlerweile ein Sechstel (!) der Ostsee.2 Zudem ist die Ostsee durch den Klima­wandel stärker gefährdet als andere Meere. Das liegt daran, dass sie nur drei kleine Zugänge hat, die für einen Wasser­austausch sorgen, wodurch die Temperatur­regulation deutlich langsamer verläuft. In der Folge erhitzt sich die Ostsee im Vergleich zu anderen Welt­meeren etwa dreimal schneller. Auch dies stellt eine existenzielle Bedrohung für maritime Lebewesen und Pflanzen­arten dar. Sollte das Öko­system der Ostsee vollends kollabieren, wären die Folgen nicht abzuschätzen.

Zeit für Veränderung

Angesichts dieser riesigen Heraus­forderungen und ihrer katastrophalen Folgen, ist ein schnelles und entschlossenes Handeln gefragt. Wir danken Sea Shepherd, dass sie dieses Thema auf die Agenda setzen und vielen Menschen die Bedeutung ihrer Arbeit vor Augen führen. Wenn ihr euch einen eigenen Eindruck verschaffen möchtet, legen wir euch den Termin in Kiel am 23.05.2025 ans Herz. Oder haltet nach weiteren Screenings in eurer Nähe Aus­schau. Eine Über­sicht findet ihr unter: https://sea-shepherd.de/geisternetze/. Sea Shepherd freut sich außerdem über jede Spende. Kampagnen in der Ost­see sind aufwendig und finanziell herausfordernd: Die Verpflegung der Crew­mitglieder, die Instand­haltung des Schiffs und die Bewältigung büro­kratischer Hürden, um überhaupt eine Erlaubnis für die Bergungs­aktionen zu erhalten, müssen bezahlt werden. Unterstützung in jeder Form ist wichtig. Bringt das Thema zu den politischen Entscheidungs­träger*innen und zeigt, dass alles für eine gesunde Ostsee getan werden muss.
Mann lehnt über die Reling und zieht Geisternetz aus dem Meer

Für die meisten Fische kommt die Befreiung aus den Geisternetzen leider zu spät.

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